Bidirektional zur Klimaneutralität
Durch bidirektionales Laden und Vehicle-to-X werden E-Autos zu mobilen und dezentralen Energiespeichern. Das senkt nicht nur die Stromkosten, sondern kann die Energiewende entscheidend voranbringen.
Was ist bidirektionales Laden und Vehicle-to-X?
Bidirektionales Laden bedeutet, dass E-Autos nicht nur Strom aufnehmen, sondern auch wieder abgeben können. Sowohl das Fahrzeug als auch die Wallbox oder Ladesäule müssen diese Funktion technisch unterstützen.
Besonders hilfreich ist bidirektionales Laden, um Strom aus erneuerbaren Energiequellen zwischenzuspeichern. So kann klimafreundliche Energie auch dann genutzt werden, wenn Sonne und Wind gerade keinen Strom erzeugen.
Da für die Energiewende viele Stromspeicher benötigt werden, ist es nicht nur ökonomisch sinnvoll, sondern auch sehr viel nachhaltiger, hierfür auch die sowieso vorhandenen Fahrzeug-Akkus zu nutzen.
Der Begriff Vehicle-to-X (kurz V2X) bezeichnet alle Konzepte, bei denen Strom aus dem E-Fahrzeug abgegeben wird. Je nach Anwendungsfall wird das X durch unterschiedliche Begriffe ersetzt.
Gleichstrom und Wechselstrom
Die Akkus von E-Autos benötigen und speichern wie alle Batterien Gleichstrom (kurz: DC für Direct Current). Viele Elektrogeräte und auch das öffentliche Stromnetz funktionieren hingegen mit Wechselstrom (kurz: AC für Alternating Current). In vielen Fällen muss der Strom also von einer Stromart in die andere gewandelt werden.
Beim Normalladen (auch AC-Laden genannt) wandelt das Ladegerät des Fahrzeugs Wechselstrom in Gleichstrom. Damit das Fahrzeug auch Wechselstrom zur Verfügung stellen kann, muss das Ladegerät in beide Richtungen – also bidirektional – funktionieren.
Was ist Vehicle-to-Load?
Ein durchschnittlicher E-Auto-Akku (64 kWh) bietet genug Strom, um einen Kühlschrank ein halbes Jahr am Stück zu betreiben.
Bei Vehicle-to-Load (V2L) stellt das E-Auto Wechselstrom für elektrische Geräte zur Verfügung. Im Fahrzeug befindet sich also eine reguläre Haushaltssteckdose, auch Schuko-Steckdose genannt.
Damit kann jedes Gerät betrieben werden, das auch zuhause funktioniert, zum Beispiel Laptops, Mikrowellen, ein Föhn oder eine Bohrmaschine. Sogar das Laden anderer E-Autos ist damit möglich!
Mit Vehicle-to-Load sind E-Autos also nicht mehr nur Fahrzeuge. Ob beim Campingtrip, im mobilen Büro oder auf der Baustelle, die Anwendungsfälle sind praktisch endlos.
Was ist Vehicle-to-Home?
Bei Vehicle-to-Home (V2H) versorgt das E-Auto das eigene Wohnhaus mit Strom. Es kann ähnlich wie ein stationärer Batteriespeicher genutzt werden.
So kann zum Beispiel tagsüber Solarstrom im Auto zwischengespeichert und nachts wieder zurück ins Haus gespeist werden. Das lastet die Solaranlage besser aus und senkt die Stromkosten.
Wer einen smarten Stromtarif hat, kann zusätzlich Kosten sparen. Denn hier variieren die Preise, abhängig vom Angebot am Markt. Mit einem intelligenten Lademanagement kann der Akku immer dann geladen werden, wenn die Preise gerade günstig sind.
Intelligente Steuerungssysteme und Kommunikation mit dem Fahrzeug stellen jederzeit sicher, dass der Akkustand niemals unter den indviduell bestimmten Wert fällt.
Eine vierköpfige Familie kann mit einer Akku-Ladung (64 kWh) fünf Tage lang den gesamten Haushalt versorgen.
Was ist Vehicle-to-Building?
Vehicle-to-Building (V2B) funktioniert ähnlich wie im privaten Bereich, allerdings bezogen auf größere Gebäude wie Mehrfamilienhäuser oder gewerblich genutzte Immobilien. Für das bidirektionale Laden können zum Beispiel die Fahrzeuge von Mieter*innen oder Angestellten verwendet werden, oder falls vorhanden auch die firmeneigene Fahrzeugflotte.
Anders als bei V2H müssen hier also mehrere Fahrzeuge mit unterschiedlichen Akkuladeständen und Standzeiten koordiniert werden. Das erfordert ein fortschrittliches und intelligentes Energiemanagement.
Auch die Abrechnung wird in der Regel komplizierter. Fließt zum Beispiel Strom aus dem Auto einer Angestellten in das Gebäude ihres Unternehmens, muss das Ganze korrekt vergütet und versteuert werden. Sowohl Ladepunkte als auch die Management-Software müssen also entsprechende Funktionen bereitstellen.
Mit Vehicle-to-Building kann selbst erzeugter Solarstrom oder günstig eingekaufter Strom aus dem Netz zwischengespeichert werden . Das kann die Energiekosten spürbar senken und verbessert die CO²-Bilanz.
Was ist Vehicle-to-Industry?
Vehicle-to-Industry (V2I) bezeichnet den Einsatz von E-Autos als Pufferspeicher im industriellen Kontext. Hier werden oft große Mengen Energie benötigt, zum Beispiel für den Betrieb großer Maschinen und Anlagen. Oft wird auch nicht nur ein Gebäude mit Strom versorgt, sondern viele verschiedene.
Die Stromkosten richten sich bei solchen Großabnehmern nicht nur nach der Gesamtmenge, sondern auch nach der höchsten Verbrauchs- bzw. Lastspitze. Unternehmen haben also ein finanzielles Interesse, ihre Lastspitzen möglichst niedrig zu halten.
Das gezielte Kappen oder Glätten solcher Spitzen wird Peak Shaving genannt. Das könnte in Zukunft auch mit Hilfe von E-Autos passieren, indem Bedarfsspitzen auch mit Strom aus deren Akkus bedient werden.
Durch Peak Shaving können Unternehmen ihre Stromkosten deutlich reduzieren. Und auch hier kann der Gesamtverbrauch an Strom aus dem öffentlichen Netz durch das Zwischenspeichern von selbst erzeugtem Strom natürlich deutlich reduziert werden.
Was ist Vehicle-to-Grid?
Vehicle-to-Grid (V2G) bedeutet, dass der Strom aus E-Autos ins öffentliche Stromnetz gespeist wird.
Da Sonne und Wind sich nicht steuern lassen, wird der Strom in Phasen mit hoher Erzeugungsleistung in den Akkus gespeichert. In Phasen niedriger Stromerzeugung (z.B. nachts) oder mit hohem Verbrauch kann er dann wieder zur Verfügung gestellt werden.
So wird eine sichere Stromversorgung auch bei schwankender Erzeugung sichergestellt. Gleichzeitig steigt der Anteil erneuerbarer Energien im Netz deutlich.
Der eingespeiste Strom wird finanziell vergütet. Denn das E-Auto unterstützt aktiv die Sicherheit des Stromnetzes und den Ausbau erneuerbarer Energien. Von einem reinen Fahrzeug wird es zu einer Stütze der Energiewende und zusätzlich zur Einnahmequelle.
Die Technologie für V2G ist vorhanden und wird bereits in Modellprojekten erprobt. Die wichtigsten offenen Fragen, die heute noch zu klären sind, sind vor allem regulatorischer Natur.